Rolf Unterfenger: Reisezeiten
Gedichtauswahl / Leseprobe
Osterspaziergang
aus der Stadt zur hohen Flur
über Stiegen steil bergan
warme Lüfte wiegen Sträucher
stachelig und gelbgetupft
durch den Wald mit Schattenspielen
hellem Sonnenei entgegen
wenig Grün noch an den Bäumen
wenig Wolk auf seinem Lauf
doch viel Volk ist unterwegs
in der Luft, auf weiten Wegen
Vögel rufen, Kinder krähen
Asphaltröhren quäken
große Tölen allzuhauf
wuseln, blaffen sabbernd ‘rum
junge Pärchen Hand in Hand
von der Göttin frisch geküsst
hoffnungsfrohe Kinderwagen
quietschen merklich Stück um Stück
bunte Jogger stoßen Atem
Dauerlauf als Egokult
blaue Blazer, steife Blusen
Ehemänner blaugestreift
grüner Loden, noble Perlen
zu Besuch sind auch Westfalen
kinderfreundlich Türkentrupps
Amis mehr im Kleingeschwader
österlicher Menschenstrauß
buntgescheckt an Haut und Haaren
Pfingstgehörnte meiden eher
solche lichten Sonnenstrahlen
am Schattenweg zur Kernphysik
zwei dunkle Mäntel schreiten
die Herren ältlich und mit Stock
im Räsonieren tief versunken
ein schwarzer Pudel umspielt Beine
die Sonne neigt sich gegen sechs
Landpartie
Fahrweg
unter
Baumkronen
Sonnenflecken
tanzen
im Fahrtwind
Schienenstrang
daneben
rostfleckig
Schottersteine
grünen
im Sommerlicht
hinter einer
Biegung
abschüssig
buschbegrünt
wartet
ein Andreaskreuz
Bühnenreif II
saach nix
wozu
ich konn’s mer denke
was schunn widder
was du willschd
als ob du des wischd
dann saachs halt
was ?
was du willschd
des konnschd du der
doch denke
saach ich doch
alla mache mers so
jo awwer annerschd
kennt mer jo ach
dann saachs halt
ich mään jo bloß
mer machen des jetzt so
du herschd mer net zu
dann saachs halt
du verstehschd mich net
jo wie immer
saach nix
Winternacht
unverfrorenes Lichtbild
über gefrorener
Asphaltpfütze
nass-schwangerer Luftbrei
wirft schattenlos
Eiskonfetti
Sturmreisende segeln
erdverschwommen
Irrlichter im Augenwinkel
© 2010 Lothar Seidler Verlag www.seidler-verlag.de